Unsere Stammesgeschichte

Erste Pfadfinderstämme der dpsg bildeten sich in Bielefeld ab dem Jahr 1934 (ein Stamm aus diesem Jahr ist an der Gemeinde Sankt Josef nachweisbar). Nur drei Jahre später, im Jahr 1937, wurde die Landespfadfinderschaft Paderborn gemeinsam mit dem Katholischen Jungmännerverband im Erzbistum von der „Gestapo“ ( = „Geheime Staatspolizei“ des nationalsozialistischen Regimes) zwangsweise aufgelöst.

Besuch eines steinzeitliches Grab im SoLa 2008 in Irland.

Die Geschichte unseres eigenen Stammes beginnt in den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach dem 2. Weltkrieg: Im August 1948 werden die Pfadfinder der Liebfrauen-Gemeinde, als erster Bielefelder Nachkriegsstamm der dpsg von dieser anerkannt. Man kann sich als junger Mensch heute kaum noch vorstellen, wie es gewesen sein muss, eine solche Notzeit selbst zu erleben. Aber mindestens genauso fern scheinen im Rückblick die „wilden 68er Jahre“ zu sein…
Wer als Wölfling bei den Pfadfindern „einsteigt“ und nach seiner Rover-Zeit wieder „aussteigt“ hat zwar ganze 13 Jahre in unserer Gemeinschaft verbracht (fragt einmal nach: manch Leiter ist sogar weit länger dabei!), aber was sind 13 Jahre gegen 60 Jahre Stammesgeschichte, die wir im Jahr 2008 geschrieben haben! Generationen junger Menschen haben den Stamm durch sonnige und stürmische Zeiten getragen – wir bilden damit den ältesten noch aktiven Pfadfinderstamm in Bielefeld! Berichte aus unterschiedlichen Zeiten geben dir einen kleinen Eindruck der vergangenen Jahrzehnte…

 

1948: die Gründung
Überall in Westdeutschland beginnen Pfadfinder die Bewegung zu neuem Leben zu erwecken. In der Liebfrauengemeinde holt sich Bodo Füchtemann die Erlaubnis des Pfarrers ein, einen katholischen Pfadfinderstamm zu organisieren.

In der Anerkennungsurkunde des Stammes ist zu lesen:

„deutsche pfadfinderschaft st. georg land paderborn

stammesanerkennung

hiermit wird eure gemeinschaft ernannt zum stamm St. Liebfrauen
– Bielefeld I –
im Ravensberggau
als stamm stellt ihr eine selbstständige ordnung in der
deutschen pfadfinderschaft st. georg dar
als stamm arbeitet ihr vollverantwortlich gemäß
den zielen des bundes
bemüht euch, den rechten pfad zu finden,
auch wenn es mit schwierigkeiten verbunden ist

paderborn 28.8.1948
landesfeldmeister Anton Breitenstein“*

*Diese, dem Stamm im Original vorliegende Urkunde enthält gleich zwei interessante Widersprüchlichkeiten für Historik-Detektive:

  1. 1948 lag der Stamm noch im Gau Wittekind (Großraum Bielefeld, Herford). Der durch den Wachstum der dpsg daraus später ausgegründete Gau Ravensberg entstand erst um 1953 für den Raum Bielefeld, Gütersloh, Wiedenbrück..
  2. vom 20./21.12.1947 bis zum 23./24.10.1948 war Norbert Katz (aus Hamm) erster Landesfeldmeister. Anton Breitenstein (aus Höxter) wurde erst am 19./20.09.1953 zum Landesfeldmeister gewählt und blieb dies bis zum 04.10.1959.

Da unsere Gründungsurkunde aber echt ist (Unterschrift und Siegel sind belegt), bleibt nur ein Schluss: Sie muss aus irgend einem unbekannten Grund nachträglich neu ausgefertigt worden sein.

1960: tradierte Routine
In der Nachkriegszeit wurde bei den Pfadfindern nahezu „nahtlos“ an die Traditionen und Formen der Vorkriegszeit angeknüpft. Zeit, um diese Formen zu überdenken, fand sich damals noch keine. Das tradierte wird weitergegeben und gelebt. Verbandsintern geht es um etwas ganz anderes: Will man eine kleine Elite sein, oder sich vermeintlich „schwächeren“ in unserer Gesellschaft (beispielsweise Behinderten, Ausländern,…) öffnen? Auch wenn es im Stammesalltag noch nicht sehr deutlich wird, wird der letztere Weg die Zukunft des Verbandes bestimmen…

Bericht vom Pfingstlager in Dalbke-Grevenvenn
Freitag, den 3. Juni Gegen 18.00 traf der Wagen an der Kirche ein, der unser Lagermaterial nach Dalbke bringen sollte. Es war ein ansehnlicher „Haufen“. Unsere beiden Sippen, die „Elche“ und die „Hirsche“ fuhren auch schon heute Abend. Die Vortrupps sollten ab 18.00 im Lager eintreffen. Das Pfingstlager wurde in 3 Unterlager (Ritterlager, Pfadfinderlager, Jungpfadfinderlager) eingeteilt. Gisbert übernahm die „Erste-Hilfe“ im Lager.
Samstag, den 4. Juni Heute wurden die Lagerbauten errichtet. Damit hatten die Sippen den ganzen Tag zu tun. Um 20.00 war die Eröffnungsrunde des gesamten Lagers. Anschließend war Feuerrunde des Pfadfindertrupps mit Versprechensfeier. Hans Stuphorn aus der Sippe Hirsch legte sein Pfadfinderversprechen ab. Um 22.00 war die Versprechensfeier des Ritterlagers. Unter den neuernannten Rittern waren u.a. Max, Herbert, Norbert und Gisbert aus unserem Stamm. Gegen 24.oo war die Nachtwanderung der Ritter nach Oerlinghausen. Die Nachtwachen stellten die Pfadfindertrupps
Sonntag, den 5. Juni; 1. Pfingsttag Da um 6.00 die hl. Messe war, wurde um 5.00 zum Wecken geblasen. Unser Gaukurat H.H. Vikar Müller zelebrierte. Nach dem Frühstück war im Jungpfadfinder-, wie im Pfadfinderlager eine Singerunde, wobei neue Lieder gesungen wurden. Während dessen sah man die Köche beim Vorbereiten des Mittagessens. Vereinzelt sah man wie Hähnchen am Spieß gebraten wurden. Nach der Mittagsruhe wurden die Pfadfindersippen nach Oerlinghausen geschickt, wo ein Großflugtag war. Abends waren im Jungpfadfinderlager und im Pfadfinderlager Fezabende wobei viel gelacht wurde. Im Jungpfadfinderlager sangen die Kleinen alte Lieder vor und zeigten mehrere Sketche. Ab 22.00 war Lagerruhe. Des Nachmittags kam Vikar Müller mit Dechant Sunder um das Lager zu besichtigen.
Montag, den 6. Juni; 2. Pfingsttag Die hl. Messe war wieder um 6.00. Nach dem Frühstück übten die Pfadfinder Armzeichen und im Jungpfadfinderlager war ein Sportnachmittag. Um 10.30 war das große Fußballspiel Ritter gegen Pfadfinder, was die Pfadfinder mit 3:2 gewannen, zu Ende. Gegen 15.00 war die Schlußrunde. Norbert umriß nochmal das Lager in kurzen Worten. Er freute sich über die Teilnahme aller und gab zum Schluß die beste Pfadfindersippe bekannt. 1. Sippe im Gauwettstreit: Sippe Hirsch, Bfld I !! 2. Sippe im Gauwettstreit: Sippe Gemse Bfld II. Nach der Schlußrunde konnten die Lagerbauten abgebrochen werden und nach sauberem Verlassen des Lagerplatzes wurde die Heimreise angetreten. Das Lager hat allen sehr gut gefallen, zumal das Wetter sehr gut war. Größere Unglücksfälle sind nach Gisberts Aussagen auch nicht passiert. Die Sachen unseres Stammes wurden um 17.30 vom Herbergsvater „Herrn Schwanke“ mit dem Wagen abgeholt.“

1971: eine Wandergruppe im Wandel
Seit 1965 beginnt ein Wandel in der dpsg. Neue Zeichen und Klufthemden werden eingeführt und dann oft bereits im Zuge der „68er“ Protestbewegung in Deutschland oft auch wieder schnell ganz abgelehnt. Die deutsche Geschichte wird reflektiert und in der Konsequenz werden althergebrachte Formen aufgegeben. Oft ohne genau zu wissen, was sie ersetzen soll. Manchmal liest sich die Stammesgeschichte dann aus heutiger Sicht doch eher wie die einer zweifelnden „Wandergruppe“:

Pfadfinder – 14 Tage Rotkohl mit Bratwurst
„Mit einer Wanderung durch das Sauerland von Hagen bis Berleburg und weiter nach Rüthen in den Sommerferien 1971 fing alles an. Damals war Peppi noch hier, Herr Vikar Müting. Er wanderte mit. Außerdem 16 Affen oder andere Rucksäcke und ebenso viele Jungen. Nehmen Sie nicht alles ernst, was in dieser Schrift steht. Schon die Überschrift stimmt nur sehr bedingt:
Pfadfinder waren wir nur von der Praxis des Wanderns her, von der pfadfinderischen Konzeption und Theorie, von Banner und Beiträgen her gesehen noch nicht.
Die Zahl 14 geht in Ordnung. Solange waren wir unterwegs. Tage, hm, nachts sind wir zwar nicht gewandert, doch gehörten auch die Nächte zu dieser Veranstaltung, vor allem die Nacht in Eslohe. Rot steht zu recht in der Überschrift: es war sonnig und heiß, und manchen Wanderers müdes Fell wurde in der Hitze rot. Mit Kohl war’s schon schlimm. Die Jungen machten viel Kohl=Mist, und mehrere Herbergsmütter bereiteten den abgekämpften Wanderern ein Abendbrot aus Rotkohl und Bratwurst. Zudem waren die gequählten Füße der Wanderer nicht nur von Blasen entstellt (trotz Fifis Hirschtalg), sondern auch von den nicht zu unterschätzenden Temperaturen fast gebraten. (Braten oder backen Sie mal Käse! Igittegittegitt!) Abends in den Jugendherbergen war dann einigen Teilnehmern – ich denke besonders an Meschede nur ungern zurück – alles Wurscht, so daß die Wurst doch sehr berechtigt in dem Titel dieses Beitrages zu Ruhm kommt.
Fazit Nr. 1: Eine dufte Wanderung!
Fazit Nr. 2: Etwas mehr Bindung an eine Jugendorganisation kann nicht schaden!
Besondere Vorkommnisse: Jupp Boddem verpaßt fast das Boot auf dem Hennesee (Passagiere in Unterhosen werden nicht mitgenommen!) und wird dafür per Eilpost zur Jugendherberge gefahren.“

1997: neue Enteckungen
Nach vielem „Auf und Ab“ bei dem es Eltern und Einzelnen immer wieder gelingt den Stamm irgendwie am Leben zu erhalten, tritt eine weitere Leiter-Generation an. In den Mittelpunkt tritt damit auch die Frage „Was wollen wir sein? Eine Jugendgruppe oder ein Pfadfinderstamm?“ Methoden und Ideale werden neu entdeckt. Die Pfadfinderkluft taucht wieder im Stamm auf – das Zeltlager lockt wieder hinaus…

Wir waren in Westernohe zur Jahresaktion 97 [Arc en Ciel] mit den Pfadfindern
„Am ersten Tag mußten wir bei stürmendem Wind unsere Zelte aufbauen. Wir hatten 3 Igluzelte und ein Hauszelt. Nachdem wir die Zelte aufgebaut hatten, gingen wir in das Hauszelt und kochten Spaghetti mit Tomatensoße. Nach dem Abendessen gingen wir in unsere Zelte, denn es war schon sehr spät.
Am nächsten Morgen ging es erst richtig los. Wir erfuhren, daß wir uns um 10 Uhr trafen. Wir waren insgesamt 700 Pfadfinder. Wir wurden dort herzlich begrüßt. Ein Mann und eine Frau hatten eine Liste, wo alle Gruppen draufstanden. Der Mann und die Frau kündigten an, daß wir unsere Teller holen sollten. Als wir unsere Teller geholt hatten, hatte ein Mann sich als Wanderer verkleidet. Der erzählte uns, was wir machen sollen. Es gab mehrere Stationen, eine davon hieß ‚Land der Hinkenden‘. Man mußte mit dem Fuß oder mit dem Mund einen Pinsel halten und damit einen Regenbogen malen. Dies durfte ich machen, denn meine Beine waren mit Klebeband zusammengebunden, so daß ich ein ‚Hinkender‘ war (So mußte ich die ganze Zeit mitgehen!).
Als jeder eine Station gemacht hatte, gingen wir wieder zu unseren Zelten. Um 15 Uhr trafen wir uns in der Kapelle. Der Mann, der sich als Wanderer verkleidet hatte, fragte uns, ob es uns gefallen hat. Am Schluß bekam jeder etwas Süßes. Um 17 Uhr wurden zwei von unserer Gruppe abgeholt, weil sie zur Kommunion mußten. Um 18 Uhr gab es ein gemeinsames Büfett. Jede Gruppe brachte etwas mit, was in ihrer Gegend gegessen wird. Wir haben Pudding von Dr. Oetker gemacht. Danach gingen wir zu unseren Zelten zurück und spielten etwas. Wir erfuhren, daß wir am nächsten Tag erst später zurückfahren können. Unser Leiter mußte zur Rezeption, um Bescheid zu sagen, daß es klappt. Als er zurück kam, schickte er uns zum Spülen. Nach dem Spülen machten wir ein Lagerfeuer und Stockbrot. Als das Lagerfeuer erlosch, gingen wir erst ins Bett.
Am nächsten Morgen gab es noch einen Gottesdienst, an dessen Ende wir eine kleine Ikone aus den Arc en ciel Werkstätten erhielten. Außerdem gab es für jeden einen kleinen Edelstein. Nun mußten wir alles einpacken und dann fuhren wir auch schon zurück.
Es war eine sehr schöne Fahrt, auf der wir viel erlebt haben.“ (Bericht von Felix Müller, Wölfling der Meute „Heulende Wölfe“)

2004: Tradition und Moderne
Der Stamm hat in den letzten Jahren einen schnellen Wandel durchlaufen. Pfadfinderische Begriffe wie „Stufenwechsel“, „Versprechensfeier“ und „Schwarzzelte“ sind wieder gängig geworden. Das Stammesleiterrunde schaut sich von anderen Stämmen das Gute ab und erhält durch zugezogene Studenten neue Impulse. Traditionelles und Modernes geht Hand in Hand und macht den Stamm attraktiv: er wächst wieder…

Sommerlager „Elchgetestet“ in Schweden
„Nach der Morgenrunde und dem Frühstück stand Duschen auf dem Programm. Wir sollten alle wieder blitzeblank sauber sein, um uns anschließend beim Herstellen von Tischen und Bänken wieder ordentlich dreckig zu machen! Doch bevor wir Bauen konnten, mußten wir erst das Bauholz heranschaffen. Es gibt hier Extra-Holz, dass nicht verbrannt werden darf und das wir am Ende des Lagers wieder abgeben müssen. Mit vielen Seilen versuchten wir nun unsere Tisch-Bank-Kombinationen so kippfest wie möglich zu bauen – das war gar nicht einfach und so mancher Knoten mußte mehrmals neu gemacht werden, so dass alles wirklich fest war und wir nicht mehr mit dem Bauwerk zusammen brachen. Ganz schön anstrengend – es wäre viel einfacher gewesen, Tische und Bänke mitzunehmen – aber so ist es viel Pfadfinderischer.
Als wir mit den Lagerbauten fertig waren sind noch einige auf den Steg gegangen und haben geangelt – leider ohne Erfolg. Am Abend konnten wir dann am Lagerfeuer sitzen. Als es dunkel wurde fand noch eine Versprechensfeier der Wölflinge am Strand statt.“

Hier findest du eine tabellarische Chronik der Stammesvorstände seit Gründung.